Härtere Zeiten – glücklichere Zeiten? Ein Besuch im Freilichtmuseum in Lindlar

7. November 2016 — Hinterlasse einen Kommentar


Jüngst haben wir bei Bombenwetter einen ganztägigen Ausflug in das schöne Freilichtmuseum in Lindlar gemacht – Achtung Ausflugstipp; auch ohne Kinder sehr sehenswert!

Vor genau einem Jahr waren wir schon einmal dort und weil es uns so gut gefiel, wird der Museums Besuch jetzt zur Tradition. Das Museum bietet tolle Einblicke in das Leben im bergischen Land um 19 Hundert. Es ist ein ökologisches Museum, worauf man direkt am Eingang hingewiesen wird; hier wird weitestgehend versucht Abfall zu vermeiden und auf dem großen Gelände steht z.B. kein einziger Abfalleimer! Jeder ist angehalten, seinen verursachten Dreck auch wieder mitzunehmen. Unser Tupperdosen-Geschwader stößt hier also auf bejahendes Annehmen. Leider verabschiedeten sich unser beider Handyakkus bald, weshalb wir nur sehr wenige Fotos machen konnten – irgendwie passte das aber auch ganz gut hierher – zum Leben in anno dazumal! Wir traten also durch die Pforte und kamen genau 2 Meter vorwärts; da hatten die beiden Muckligen schon das erste lindlar-schafObjekt der Begierde gesichtet: Schafe zum Anfassen. Heu fressende Schafe, die ihre Köpfe durch den Zaun gefriemelt hatten, um an möglichst viel von dem Heu heranzukommen. Die Tiere nahmen es dafür auch in Kauf, hier und da an der Schnauze oder Ohren betüddelt zu werden. Ein gelungener Einstieg in unsere Zeitreise – in das Leben lange vor unserer Zeit. Hier lief uns ein kräftiges Kaltblut (Pferd) vor einen Karren angespannt über den Weg, da schleppte das nächste wunderschöne Kaltblut einen Baumstamm hinter sich her, drüben muhten die Kühe auf der Weide und droben grunzten 2 große Urschweine. Die beiden Schweine waren ziemlich groß und ziemlich behaart; waschechtes Borstenvieh eben!

Dieses Museum ist zum Anfassen, zum Erfahren: Man kann in die Wohnhäuser, Höfe oder Werkstätten eintreten und komplett ausgestattete Räume bewundern (z.B alte Öfen, sogar Besteck, Möbel aller Art, Werkzeuge, einen riesigen Webstuhl, an dem zu Vorführungszwecken noch gearbeitet wird, ein 1,20m breites Familienbett (!), in dem Vater, Mutter und Tochter geschlafen haben, bis Töchterlein Mariechen 6 Jahre alt war (es darf gestaunt werden). Man kann auch den Handwerksvorführungen beiwohnen, die z.B. von einem Schmied, einem Seiler (stellt Seile her), vielen weiteren Gewerken oder von einem Bäcker durchgeführt werden. Letzteren konnten wir beobachten, wie er gerade eine Backladung Hefestuten aus dem knisternden Holzofen hervorzaubstutenerte; und Butterkuchen mit Hanfsamen obendrauf. Klingt verboten, schmeckt auch genau so. Also; der Hanfsamenkuchen war lecker – aber der Stuten! Gott; ich habe noch nie so leckeren Stuten gegessen! Ganz einfach gemacht, ohne Schnickschnack, noch warm und nicht zu süß; genau nach meinem Geschmack. Er hat den nächsten Tag nicht überlebt.

Wurde in den damaligen Zeiten intensiver erlebt?
Alles in allem ist das Museum wirklich schön aufgebaut. Ein richtiger Wohlfühlort! Eher Terrain; ein Wohlfühlterrain, weil 25 Hektar groß. Alleine die Zäune um die Beete sind liebevoll gemacht! Holzzäune, ganz puristisch und originalgetreu gebaut, einfach schmale Holzlatten, fertig. Wunderschön. Äcker, die der Größe von damals entsprechen und heute mit ‚alten Mitteln‘ bewirtschaftet werden; Kräuter-, Gemüse- und Obstbeete, durch die man wandern und rätseln kann, was für Pflanzen das bitte alle sind (das Ömchen wüsste hier Rat). Erkannt haben wir trotz lückenhafter Gartenbewandnis einige: Möhren, rote Beete, Sellerie, diverse Kräuter usw. Hier, mitten im Beet, da fühlt man sich verbunden. Mit der Natur. Man fühlt sich wohl, hier inmitten der Einfachheit des damaligen Lebens, wir fühlten uns geerdet. Geerdet und entschleunigt.

Dieses Behagen hat uns zu der Frage geführt: Warum? Warum drängt es uns zurück in die Natur bzw. in ein vereinfachtes, langsameres Leben außerhalb der Stadt? Wo wir doch im Luxus leben, na, vielleicht nicht im Luxus, aber das Leben dennoch sehr viele Annehmlichkeiten bereistellt? Der Trend ist ja immer noch raus auf’s Land‘ – das haben wir zumindest bei uns selbst festgestellt. Den einstigen Wohnort im südlichen Randgebiet der Domstadt hatte ich damals nur schwer aufgeben können; jetzt ist es in meiner Vorstellung sogar möglich, noch weiter raus zu ziehen. Aber zurück zur Frage: Warum möchten wir wieder ursprünglicher leben, obwohl das damalige Leben sicherlich härter war? Man war vor allem abhängig von Mutter Natur; das Leben war rauher und ging mit viel mehr Verzicht einher. Luxus war damals doch ein Fremdwort; zumindest für die meisten Leute der mittelständischen Bevölkerungsschicht. Luxus hat man damals sicherlich an anderen Dingen festgemacht oder ihn anders empfunden. Aber dafür war man damals näher dran – näher an den Familienmitgliedern, die nicht zur engsten Stammfamilie gehörten (also Tante, Onkel, Cousine usw.), man war den Tieren näher, die einen mitversorgten, man war einfach näher am nackten (Über)Leben!
Das Leben hatte ja auch schöne Sachen zu bieten: Z.B. die Holzofen-Romantik; komplett verschwunden!! Wer hat heute noch einen Kaminofen im Haus? Mit Bärenfell davor? Also wir nicht! Man legt sich ja heutzutage auch nicht auf das von der Fußbodenheizung erwärmte Parkett zwischen Regal und Fernseher und sagt: Komm mal her Schatz, so schön gemütlich hier! Schade. (PS: Wir haben nicht mal die Fußbodenheizung). Aber was hat die Menschen damals wohl bewegt? Was für Träume hatten sie und welche Wünsche? Wonach haben sie sich wohl gesehnt? Und wie haben sie einen ganz normalen Abend verbracht? So ohne Fernseher oder Laptop und im kalten Winter? In den heutigen Zeiten des Online-Allround-Bestellservices ist das ja kaum noch vorstellbar.

Diese Frage konnten wir für uns also nicht abschließend beantworten; alles hat sein Für und Wider. Ich denke, dass es eine Zeit lang sicher toll ist, so zu leben und eine sehr intensive Erfahrung obendrein, aber so den Alltag zu bestreiten… Für mich wäre das nichts auf Dauer. Obwohl: Auf so einem schönen Gaul zur Arbeit juckeln? Oder in der Kutsche…? Das könnte mir schon gefallen!

Wie bei Omma
Auf dem Museumsgelände gibt es auch ein Restaurant, das ‚wie früher‘ aussieht – ein bisschen wie bei Oma. Urig, detailgetreu, einfach angenehm. Mit einer alten Kuchenvitrine, einer Durchreiche zur Küche, alte Tische und Stühle, die sicherlich eine Menge erzählen könnten… Das Essen hatte uns beim ersten Besuch sehr gut geschmeckt, darum kehrten wir heute wieder ein. Da es angenehm warm war, ließen wir uns auf der Terrasse nieder und genossen bei mildem Wetterchen die schöne Aussicht über das Tal. Wir bestellten 2x Räuberteller für die Kinder (nix drauf, kostet dafür auch nix) und für uns Hausmannskost. War in Ordnung, aber dieses Mal kein Highlight. Nach dem Essen hatten wir Mühe, den Muck in der Karre in den Schlaf zu juckeln; war alles zu interessant hier.

Wir sind dann noch bis zum Museumskiosk gekommen, der mitten auf dem Gelände steht – und auch in der Zeit stehengeblieben zu sein schien. Man konnte so tolle, ‚alte‘, fast vergessene Süßigkeiten kaufen wie: Viereckige Brause-Bonbons, die berühmten Leck-Muscheln, Lollies und Lutschbonbons am Stiel, diese tolle Knisterbrause, die im Mund platzt und zu Kaugummi wird (darüber hatte ich HIER schon einmal geschrieben). Außerdem gab es Vogelstimmen-Plättchen, auf denen man richtig toll pfeifen kann – kennt die noch einer??, und viel Krimskrams mehr. Ich konnte nicht widerstehen und kaufte für jeden etwas. Der Muck schlief dann endlich über seinem Lolli ein, bei uns knisterte es im Mund und ich konnte das Schätzlein danach mit meinem Vogelgezwitscher begeistern.

Zu allem Überfluss hörten wir dann noch die Rufe von Kranichen und wurden Zeuge, wie kraniche-lindlarsich ein sehr großer Vogelschwarm in der Luft versammelte, Kreis um Kreis zog, sich ordnete und dann gen Süden wegflog, nach Südspanien oder Marokko. Es müssen hunderte gewesen sein.

Wir waren alle ziemlich beseelt und traten den Heimweg an; nebenbei bemerkt in unserem schnell erwärmten, komfortablen Auto; seufz. Ein ganz entspannter Ausflug, der allen gut getan hat!
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