Waschen auf Muckisch (Wieder mal Montessori bei uns)

10. November 2016 — 6 Kommentare

Vorgestern habe ich einen wirklich tollen Artikel bei miniandme gelesen, den sie unter der Rubrik „Montessori – Montag“ veröffentlicht hat. Darin stellte Jeannine das Thema „Mein eigener Waschtisch“ für ihre Tochter vor. Die Idee hat mich so begeistert, dass ich alles stehen und liegen ließ und sofort alles hier im Haus zusammensuchte…

Ich bin selbst ein Montessori Kind und habe eine Montessori Grundschule besucht, meine Maam (das Ömchen) hatte beruflich mit Montessori zu tun; also hatten wir Montessori auch zu Hause, und nun begegnet mir Montessori immer wieder im Alltag; nämlich mit meinen Kindern! Eigentlich jeden Tag und Euch geht das sicherlich auch so, nur wisst ihr es vielleicht gar nicht…? Meine Maam war es, die mich auf die Montessori-Erkenntnis aufmerksam gemacht hat, als sich vor gut 1.5 Jahren folgende Begebenheit zutrug:

Die ca. eineinhalbjährige Abbi war, nachdem sie das Laufen gelernt hatte, ständig den Bürgersteig herab- und wieder hinaufgestiegen. So ein Bürgersteig misst ca. 10-15 cm; für sie war es also ein großer Höhenunterschied und schwierig zu erklimmen. Rauf, links-tipp rechts-tipp, umdrehen und wieder runter, links-tapp rechts-tapp. Wieder umdrehen und wieder rauf, tipp tipp, … umdrehen und wieder runter, tapp tapp; sie hat das bestimmt 30 Mal hintereinander gemacht – immer wieder. Sie war total vertieft in ihr Tun, dass wir minutenlang einfach daneben standen und ihr zuguckten. Irgendwann hörte sie damit auf und ging weiter. Am nächsten Tag das gleiche Szenario: Abbi stoppte am Bürgersteig und stieg genau wie gestern, unzählige Male auf und ab.

Das war eine typische Situation, in der die sog. „polarisierte Aufmerksamkeit“ stattgefunden hatte. Auch der Muck lernt auf diese Weise: Gestern beim Wasserfarben Malen steckte er seinen Pinsel in den Wassertopf und rührte dann ewig lang und in sich versunken im Farbtöpfchen herum, damit auch ordentlich Farbe auf den Pinsel kam. Dann kontrollierte er, ob es schon reicht, nein, reichte ihm nicht, also wieder rein in die Farbe. Nochmal prüfen, nee, mehr grün muss her. Wieder rein da. Dass Abbi versehentlich ihren Pinsel verlor und mich ziemlich laut darauf hinwies, brachte ihn nicht aus der Ruhe.

Maria Montessori bezeichnet die Fähigkeit des fokussierten Lernens als „Polarisation der Aufmerksamkeit“. Diese Art des Lernens nennt sie den Schlüssel ihrer Pädagogik! Die Polarisation der Aufmerksamkeit bedeutet, dass schon kleinste Kleinkinder in der Lage sind, sich über einen längeren Zeitraum auf eine Sache zu konzentrieren und sich dabei nicht ablenken zu lassen. Den ausgeübten Vorgang wiederholen sie unzählige Male, bis sie es gelernt haben. Man sollte die Kinder bei ihrem Tun möglichst nicht unterbrechen; etwa durch gut gemeintes Lob! Andererseits lassen sich die Kinder auch nicht so leicht stören, DA sie so tiefgehend konzentriert SIND! Maria Montessori sagt weiter, dass die Fähigkeit dieser tiefen Konzentration der Grundstein für das spätere Aneignen von Bildung sei. Wichtig sei hierbei auch, dass sich die Kinder die Dinge, die sie lernen wollen, selber und freiwillig aussuchen. (Da ploppt spontan die Frage bei mir auf, wie das hiesige Schulsystem dazu passt….? Anmerkung: In meiner Grundschule gab es das Fach „FREIarbeit“! In dieser Stunde konnten wir Kinder uns alleine mit den vorhandenen Materialien beschäftigen; die Aufgabe war: Wir durften/mussten uns unser Lernen selbst auszusuchen).

Zurück zum Artikel von miniandme: Dieser eigene Waschtisch ist eine wunderbare Montessori-Inspiration, die ich also sofort in die Realität umgesetzt habe! Alle Dinge, die ich dazu brauchte, hatten wir tatsächlich im Haus. Gut, den kaputten Spiegel musste ich wieder kleben, der lag nicht umsonst im Kellerloch; die Handtuch Haken fand ich in der Gruschtelschublade und die Waschschüsseln sind alte Auflaufformen und passen nicht genau; dieses Projekt wird in den nächsten Tagen noch aufgeplüscht. Es hat mich aber so in den Fingern gejuckt, dass ich den Artikel kaum zu Ende lesen konnte, weil ich direkt alles zusammenbasteln wollte! Ich hatte so ein Gefühl, dass das geplante Bauvorhaben bei den Muckligen gut ankommen würde… waschtisch-mucklige

Was soll ich sagen: Das Schätzlein und der Muck lieben ihren neuen Waschtisch! Es ist ihr neuer Lieblingsplatz geworden – sie sitzen beide vor dem/den Spiegeln und vergnügen sich; schneiden Grimassen, gucken, ob sie mich durch das Spiegelglas entdecken können, begutachten sich selbst und frisieren sich mit Bürsten, Spängchen und Haargummis. Spielerisch lernen sie, sich selbst zu versorgen und sich gegenseitig zu sich zu kümmern. Abbi bevorzugt den Spiegel, in dem sie sich ’ssooooooo groß sieht, Mama!‘ – den mit dem 3-fach Vergrößerungsglas. Und dann sitzen oder stehen sie da und – AAACHTUNG- putzen sich jetzt FREIWILLIG und eigenständig bis zu 6 Mal am Tag die Zähne! Sie machen das wohlgemerkt ALLES ALLEINE. Das Schätzlein trägt sich und dem Muck großzügig die Zahnpasta auf, der kaut dann wie gewohnt seine Zahnbürste ab, bis sie ihm neue Zahnpasta serviert und alles von vorne losgeht. Wirklich toll! Ich helfe nur beim Ausschütten des Spuckewassers, beseitige gelegentliche Planschereien und putze natürlich die Zähne nach.

Mein Fazit:
Der eigene Kinderwaschtisch ist eingeschlagen wie eine Bombe; er ist weit mehr als bloß ein Waschtisch; sie fühlen sich dadurch ernst und wahrgenommen. Mit diesem Waschtisch machen die Muckligen alles selbstständig und das sehr verantwortungsvoll. Sie sind stolz auf ihre gewonnene Eigenständigkeit und ich kann richtig sehen, dass sie an dem ihnen entgegengebrachten Vertrauen wachsen.

Und als allerletzten Abschlusssatz gibt es hierzu noch den passenden Satz von Maria Montessori: „Hilf mir es selbst zu tun“. Ein überaus gelungenes DIY-Projekt!

Vielen Dank für die Inspiration 🙂
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6 Antworten zu Waschen auf Muckisch (Wieder mal Montessori bei uns)

  1. 

    Super Idee. Vielleicht erspare ich mir bei meiner 2. Tochter dadurch eine jahrelange Ermahnungsreihe wie bei meiner 1.
    Werde es ausprobieren… sobald sie stehen kann 🙂

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  2. 

    Eine schöne Idee, liebe Frau Lampenhügel. Ich bin schwer begeistert, dass die Kinder sich so oft freiwillig die Zähne putzen.

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  3. 

    Danke für Dein Kompliment 🙂 Ich habe ziemlich lange an der ein oder anderen Formulierung gesessen.. Ja, so wie Du die Situation beschreibst, war das Knöpfchen da sicherlich in die Polarisation der Aufmerksamkeit vertieft. Schön, dass das Honigglas schon leer war und sicherlich zum Bebasteln gedacht 😉

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  4. 
    beatriceconfuss 10. November 2016 um 14:06

    Das hast du schön geschrieben. 🙂 Das kann ich mir auch vorstellen, dass den beiden das gefällt. Unser Knöpfchen hatte gestern auch so einen versunkenen Moment. Sie hat ein leeres Honigglas mit Kleister und Transparentpapier beklebt. Sie störte es überhaupt nicht, dass die beiden Großen sich stritten und nur Unsinn machten. Das Knöpfchen war konzentriert bei der Arbeit.

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